"Chấm này nối tiếp chấm kia, ngàn vạn chấm thành một đường dài. Phút này nối tiếp phút kia, muôn triệu phút thành một đời sống. Chấm mỗi chấm cho đúng, đường sẽ đẹp. Sống mỗi phút cho tốt, đời sẽ thánh." (Phanxicô Xaviê Nguyễn Văn Thuận)

Drei Versuchungen auf dem Weg und der Blick auf das Ziel


27.02.2012 / Erzbistum Hamburg
Fastenhirtenbrief von Erzbischof Dr. Werner Thissen 
zur österlichen Bußzeit 2012

Drei Versuchungen auf dem Weg und der Blick auf das Ziel

Liebe Schwestern und Brüder im Erzbistum Hamburg,

Jesus wurde vom Satan in Versuchung geführt, sagt uns heute das Evangelium. 
Hat das etwas mit uns zu tun? Mit unserer Gemeinde? Mit mir persönlich?

Wenn sogar Jesus in Versuchung geführt wird, dann können wir davon ausgehen, dass auch auf unserem Glaubensweg Versuchungen lauern. Ich finde es wichtig, solche Versuchungen zu erkennen. Nur dann können wir sie auch bestehen. Ich nenne Ihnen drei Versuchungen, die mir zurzeit besonders auffallen.

1. Die erste Versuchung heißt: „Mutlosigkeit“

Es bedrängt uns, dass die Zahl der aktiven Kirchenmitglieder zurückgeht. Dass es vielfach nicht mehr selbstverständlich ist, zu beten, die Sakramente zu feiern, Fastenopfer zu bringen. Es macht uns traurig, dass es Fehler und Sünden in der Kirche gibt, wie das vor allem an den Missbrauchsskandalen deutlich wird. Wir leiden darunter, dass junge Menschen oftmals zu einer Lebenspraxis neigen, die weniger mit Glaube und Kirche zu tun hat. Es stört uns, dass durch die zurückgehende Zahl der Priester sich das kirchliche Leben stark verändert. All das wirft Fragen auf. Diese können uns verunsichern und die Freude am Glauben schmälern. Nicht selten werde ich auf solche Sorgen angesprochen. Ich finde es wichtig, darüber miteinander zu reden. Das ist weitaus besser als unsere kirchliche Situation zu beschönigen oder Belastendes zu verdrängen. Aber für eine teuflische Versuchung halte ich es, sich dadurch entmutigen zu lassen. Zu dieser Versuchung gehört auch, all das Gute zu übersehen oder abzuwerten, das sich in unseren Gemeinden, Einrichtungen und Verbänden ereignet. Der Weg des Glaubens in unserer Zeit ist wahrhaftig kein Spaziergang. Wir werden von vielen Seiten infrage gestellt. Aber haben wir es wirklich schwerer als Christen früherer Zeiten?

Ich denke an unsere Vorfahren im Glauben, die wir im Erzbistum im Blick haben. Da sind die Lübecker Märtyrer, die gemeinsam mit ihrer Gemeinde einer feindseligen Öffentlichkeit gegenüberstanden. Ich denke an Niels Stensen, der mit einer verschwindend kleinen Zahl von Gläubigen ohne jeden äußerlichen Erfolg in Schwerin tätig war. Und auch unser Bistumsgründer Ansgar musste die niederschmetternde Erfahrung machen, dass seine Aufbauarbeit in unseren Regionen immer wieder zerstört wurde. Den Lübecker Märtyrern, Niels Stensen und Ansgar, war, auch wenn sie mit ganz unterschiedlichen Anfechtungen zu kämpfen hatten, eines gemeinsam: Sie haben sich nicht entmutigen lassen. Obwohl sie zunächst als Verlierer da standen. Jedenfalls von außen betrachtet. Auch als oft verlachte Minderheit war ihnen bewusst: „Mit Christus sind wir immer die Mehrheit, immer die Stärkeren.“ Mit diesen Worten hat Bischof Heinrich Theissing die Mecklenburger Katholiken in der Zeit des Kommunismus ermutigt. Mit Christus sind wir stark. Dieser Glaubensmut ist auch heute notwendig, damit wir der Versuchung zur Mutlosigkeit widerstehen können. Deshalb ist es ja so entscheidend, dass wir immer wieder neu die Verbindung mit Christus suchen. Vor allem im Gebet, im Gottesdienst und in tatkräftiger Liebe. Dann verbindet sich unsere Bereitschaft mit der Kraft Gottes. Dann haben wir keinen Grund, mutlos zu sein.

2. Die zweite Versuchung heißt: „Anpassung“

Manchmal erlebe ich, wie katholische Christen sich mit ihrer Überzeugung in der Öffentlichkeit zurückhalten. Warum? 

Weil unsere Vorstellungen vom Leben und vom Sterben sich oft grundlegend unterscheiden von aktuellen Mehrheitsmeinungen. Auch was wir im Credo bekennen, trifft längst nicht überall auf Zustimmung. Nun gibt es aber auch katholische Merkmale, die nicht im Glaubensbekenntnis stehen. Manche sind auch nicht ausdrückliche Forderungen Jesu. Deshalb kann es gar nicht ausbleiben, dass um solche Traditionen immer wieder gerungen wird. Das muss nicht heißen, sie abschaffen zu wollen. Das kann auch heißen, deren Sinnhaftigkeit wieder neu zu entdecken. Im Dialogprozess, den unsere Bischofskonferenz angestoßen hat, geht es um die Frage, was Christus von seiner Kirche heute erwartet. Wir werden dabei wachsam der Versuchung widerstehen, uns einfach aktuellen Mehrheitsmeinungen anzupassen. Unser Maßstab ist und bleibt die Botschaft Jesu und was auf dem Glaubensweg der Kirche unter der Führung des Geistes Gottes daraus erwachsen ist. In machen Diskussionen erlebe ich die Sorge, unsere Kirche könne den Anschluss an die Gegenwart verpassen. Andere weisen darauf hin, dass wir nicht den Anschluss an Schrift und Tradition verpassen dürfen. Solche Fragen bewegten auch Papst Benedikt auf seiner Deutschlandreise im September letzten Jahres. In seiner Rede im Freiburger Konzerthaus sagte der Papst: „Die Kirche ist, wo sie wahrhaft sie selber ist, immer in Bewegung, muss sich fortwährend in den Dienst der Sendung stellen, die sie vom Herrn empfangen hat. Und deshalb muss sie sich immer neu den Sorgen der Welt öffnen . . .“

In Erfurt im Kapitelssaal des Augustinerklosters fragte Papst Benedikt: „Muss man dem Säkularisierungsdruck nachgeben, modern werden durch Verdünnung des Glaubens?“ Dann fügte er hinzu: „Natürlich muss der Glaube heute neu gedacht und vor allem neu gelebt werden, damit er Gegenwart wird. Aber nicht Verdünnung des Glaubens hilft, sondern nur ihn ganz zu leben in unserem Heute.“ Wie sich die Öffnung der Kirche hin zu den Sorgen der Welt ohne Verdünnung des Glaubens verwirklichen lässt, darum haben wir zu ringen. Bei solchem Ringen kann uns eine dritte Versuchung bedrohen.

3. Die Dritte Versuchung heißt: Verdächtigung und Schuldzuweisung

Ich denke an die Haltung, Meinungen, die wir nicht teilen, zu verdächtigen oder anderen Schuld zuzuweisen.

„Das Zweite Vatikanische Konzil ist an allem Schuld“, hörte ich kürzlich jemanden sagen. Das ist eine unsinnige Schuldzuweisung und Verdächtigung. Die kann es in unterschwelliger Art auch sonst in Kirche und Gemeinde geben. Ich finde es wichtig, auch diese Versuchung wahrzunehmen. Nämlich die Versuchung, anderen den guten Willen oder die wohlüberlegte Meinung abzusprechen. Die Versuchung, Sündenböcke zu suchen oder anderen falsche Absichten oder Vorurteile zu unterstellen. 

Wir müssen und können gar nicht in allen Fragen einer Meinung sein. Aber wir müssen und können mit Wertschätzung aufeinander hören und gegenteilige Meinungen ebenso sorgsam erwägen wie unsere eigenen. Eine solche Streitkultur hilft weiter. Dann dürfen wir darauf vertrauen, dass der heilige Geist in unseren Diskussionen nicht außen vor bleibt. Der Geist Gottes ist der Geist der Einheit. Diese Einheit betrifft sowohl unser Erzbistum als auch die Weltkirche. Erster Diener dieser Einheit ist unser Papst Benedikt. Seinem Bemühen, verlorengegangene Einheit wieder zu erlangen und neue Spaltung zu verhindern, wissen wir uns verpflichtet.

4. Die Lebensqualität des Glaubens

Das Evangelium an diesem ersten Fastensonntag schließt mit den Worten Jesu: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ 

Die Zeit ist erfüllt. Das bedeutet: Mit dem Kommen Jesu in unsere Welt brauchen wir auf keine andere Zeit mehr zu warten. Alles, was für unsere Gegenwart und Zukunft entscheidend ist, ist geschehen durch Tod und Auferstehung Jesu.

Worauf wartet ihr noch, müssen wir uns fragen lassen. Alles, was dem Leben Richtung und Sinn gibt, ist da. Weil Jesus Christus da ist. Weil das Reich Gottes nahe ist. Die Konsequenz daraus heißt dann: Kehrt um. Richtet euch nicht nach dem, was Mode oder Gewohnheit ist. Richtet euch nach dem Evangelium. Kehrt um und glaubt. Dann findet ihr die entscheidende Lebensqualität. Zu dieser Lebensqualität gehört, dass wir nicht allein sind auf unserem Glaubensweg. Gott hat uns zugesagt, dass er bei uns ist, dass er unsere Wege mitgeht. Wir können auf ihn hören. In seinem Wort, in den Regungen unseres Gewissens, in den Ereignissen unseres Lebens spricht er zu uns. Und wir können ihm antworten: Im Gebet und in Taten der Liebe. Mit uns auf dem Weg sind auch viele Schwestern und Brüder des Glaubens hier im Erzbistum und überall auf der Welt. Das ist Freude und Verpflichtung zugleich.

Zur Lebensqualität des Glaubens gehört schließlich auch, dass unser Leben sich nicht im Kreis dreht. Wir sind nicht wie ein aufgezogener Kreisel, der irgendwann ins Trudeln gerät, umkippt und weggeräumt wird. Wir sind auf dem Weg zu einem Ziel, wo wir mit Freude erwartet werden.

5. Der Blick auf das Ziel

„Mit den Jahren runzelt die Haut“, sagte mir kürzlich jemand. Als ich ihn fragend anschaute, was er damit meine, fügte er hinzu: „Mit dem Verzicht auf Begeisterung runzelt die Seele.“ 

Das Runzeln der Haut lässt sich nicht aufhalten. Aber unsere Seele kann jung bleiben. Denn wir gehen dem Jüngsten Tag entgegen, der vom Glauben zum Schauen führt. Auch wenn das unser Vorstellungsvermögen übersteigt, will uns Gottes Geist für dieses Ziel begeistern. Mit dem Blick auf das Ziel können wir trotz mancher Fragen und Sorgen mit Freude und Vertrauen den Weg des Glaubens gehen. Dazu segne Euch der Dreieinige Gott, der Vater und der Sohn und der heilige Geist. Amen.

H a m b u r g, 3. Februar 2012, am Fest des Heiligen Ansgar
† Werner
Erzbischof von Hamburg